Pfr. Hans-Dieter Brenner,
Reformation in St. Goar
Textauszug aus :
St. Goar
Ein rheinisches
Heimatbuch
Nach den Werken
von Alexander Grebel
gänzlich neu
bearbeitet von
Peter Knab
Oberschullehrer
in Köln
Mit zahlreichen
Abbildungen und Plänen
sowie
Dichtungen von
Jörg Ritzel
Verlag von
Hermann Schulz, Düsseldorf
1925
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Textauszug
III. St. Goar im Staatsleben
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Seite 071
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2. Abschnitt. Die
Landgrafen von Hessen-Kassel
1479 - 1626 ...
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... Auf dem Reichstag
zu Worms 1521 war auch Philipp, der junge Landgraf von Hessen, anwesend,
schwärmte für Luther und besuchte ihn nach dessen Verweigerung des Widerrufs, sodaß der Nuntius Alexander nach Rom berichtetet, Landgraf
Philipp sei "von übelster lutherischer Gesinnung". ...
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... Philipp
ernannte vier Visitatoren (Untersucher), die den
Auftrag erhielten, die katholischen Geistlichen durch lutherische abzulösen.
Die Einstellung der Wallfahrten und die Entfernung der Bilder aus den Kirchen
wurden bereits am 21. Oktober 1527 angeordnet. ...
Der nächste
Schritt zur Einrichtung und Gliederung der hessischen Kirche war die Ernennung
von Superintendenten mit Befugnissen, etwa denen eines Bischofs entsprechend.
Sie hatten das Recht, ungeeignete Geistliche ihres Amtes zu entsetzen. Ihr
Sprengel hieß auch Diözese. Zu den sechs hessischen Superintendenturen gehörte
auch St. Goar für die Niedergrafschaft Katzenelnbogen mit den Aemtern
Rheinfels, Reichenberg und Hohenstein und für die Städte St. Goar, Nastätten und Langenschwalbach; dazu zählten ursprünglich noch Anteile
angrenzender Herrschaften, sowie das von Kurköln aus
Geldbedürfnis an Hessen verpfändete Rhens und die
Pfandschaft Limburg an der Lahn vom Erzstift Trier.
In diesen Pfandschaften
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blieb der evangelischen Glaube so lange vorherrschend, wie sie in
hessischem Besitz waren. Die 6 Pfarreien im Amte Rheinfels waren zu Beginn des
17. Jahrhunderts St. Goar mit dem Diakonat Biebernheim, Pfalzfeld mit Hungenroth,
Niedert, Mühlpfad, dem
hessischen Teil von Hausbay und den Flilialen Utzenhain, WErlau mit dem Boxbergerhof und der pfälzischen Filiale Holzfeld ... Der erste Pfarrer in St. Goar
war zugleich Inspektor, der Diakon auch Prediger zu Biebernheim.
...
Die Einführung
der Reformation in St. Goar brachte die
Säkularisation (Entziehung) des Stiftes mit sich. Alle Bemühungen der Aebte von Prüm, ihre Rechte an
dem Stifte zu wahren, blieben erfolglos, ebenso die der Trierer Erzbischöfe,
als sie die Abtei in Besitz genommen hatten.
Den Geistlichen
wurde die Wahl gestellt, entweder zur neuen Lehre überzutreten oder mit einer
lebenslänglichen Rente sich von ihrem Amte zurückzuziehen. Die zwölf
Stiftsherrn, an ihrer Spitze der Stiftsdechant und Pfarrer Johann vor Orscheid blieben dem alten Glauben treu; von den Vikaren
traten jedoch die drei jüngsten zur Reformation über und erhielten die
Pfarrstellen in Pfalzfeld, Nastätten und Nochern. Das Kloster wurde umgewandelt zur Schule für die
reformierten Kinder; der Superintendet bekam die
Dechanei als Wohnung angewiesen, während die beiden Hilfsgeitlichen
die Vikariatshäuser an der Oberstraße eingeräumt
wurden. Als Besoldung erhielten zugeteilt der Superintendent die Einkünfte von
drei Stiftsherrnstellen, der erste Prediger die zweier Stiftsherrnstellen und
des St. Antonius-Vikariats, der zweite Prediger ebenfalls die Gefälle zweier
Kanonikate und die des St. Barbara-Vikariats. Der erste Lehrer erhielt jährlich
26 Thaler an Geld, 2 Malter Korn, 1 Ohm Wein und die Einkünfte des St.
Peters-Vikariats, der zweite Lehrer empfing die Gefälle des St.
Michel-Vikariats und der Organist diejenigen des St. Johann-Vikariats. Die noch
übrigen 5 Kanonikate und 4 Vikariate wurden teils zur Unterstützung armer
Studenten, teils zu Krankenhauszwecken und zur Aufbesserung der Einkünfte
gering besoldeter Pfarrstellen (Schwalbach)
verwendet. ...
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... Im Jahre 1539
wurde das Stift dem Coban Hessus übertragen,
"der den Wein allzusehr liebte."
Die gewaltige
religiöse Bewegung in Deutschland erzeugte bei der Ritterschaft des Reiches die
Hoffnung, die ersehnte Aenderung der Reichsverfassung
erreichen und die Macht der Fürsten
brechen zu können. ... Auch in weiteren Schichten des Volkes erzeugte Luthers
Lehre von der evangelischen Freiheit den Glauben, die Zeit zur Abschüttelung
des drückenden Herrenjoches sei gekommen. ... Die Bauernunruhen machten sich
auch hier bei uns am Rhein in schlimmer Weise bemerkbar. ... In den folgenden
Kämpfen jagte der Kaiser seine Gegner bei Mühlberg an
der Elbe in die Flucht ... Drei Jahre später (Anm.: bezogen auf Ereignisse von
1552) kam der Ausgburger Religionsfrieden zustande,
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der den
Landesfürsten die Bestimmung der Religionen ihres Gebietes überließ. Die
eingezogenen Kirchengüter durften die Protestanten behalten. ...
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